Gemeinsame Pressemitteilung: Fragwürdiger Polizeieinsatz – Queerfeindliche Vorfällebei jugendpolitischer Veranstaltung in Marzahn-Hellersdorf
Ressorts: Politik, Jugend, queer, Region Marzahn-Hellersdorf
Pressekontakt: Lisa Mehner
Email: lisamehner1@web.de
Am 08. September 2023 fand die jugendpolitische Veranstaltung „Cotti.Für.Alle 2.0“ in der Carola-Neher-Straße in Hellersdorf statt. Es nahmen hunderte Personen aus der Nachbarschaft teil. Im späteren Verlauf der Veranstaltung erschienen anlasslos mehrere zivile Beamte der Berliner Polizei. Nachdem der Grund für die Polizeimaßnahme erfragt wurde, sprachen sie jugendliche Teilnehmer:innen aggressiv und teilweise queerfeindlich an. Das Vorgehen der Polizei war insbesondere gegenüber queeren Teilnehmer:innen einschüchternd.
Anlass von „Cotti.Für.Alle 2.0“ war die steigende Anzahl an queerfeindlichen und neonazistischen Aktivitäten im Bezirk Marzahn-Hellersdorf und eine besondere Häufung rechter Vorfälle im Raum um den Cottbusser Platz.[1] Organisiert wurde die Veranstaltung von der lokalen Koordinierungsstelle für Demokratieentwicklung, dem Jugendforum Marzahn-Hellersdorf und der Registerstelle Marzahn-Hellersdorf. Es beteiligten sich mehrere Jugendzentren aus dem Bezirk, queere Initiativen sowie lokale Antidiskriminierungsstellen.
Die Veranstaltung war als Versammlung bei der Polizei angemeldet. Es lag keine Gefahrenprognose vor. Die lokalen Polizeibeamten vereinbarten aus diesem Grund mit den Organisator:innen, dass kein Polizeischutz für die Veranstaltung nötig sei. Gegen 19:30 Uhr positionierten sich mehrere sichtbar bewaffnete Personen gegenüber der Veranstaltung einer Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen. Dieses Auftreten hatte zur Folge, dass Jugendliche eingeschüchtert wurden. Ein Jugendlicher bekam solche Angst, dass er einen Notruf absetzte. Erst nach mehrfachen Nachfragen durch die Organisator:innen des Festes gaben sich die Personen als Polizist:innen zu erkennen. Sie seien vor Ort, um nach „kriminellen Jugendlichen“ zu suchen. Einen konkreten Anlass der Maßnahme nannten sie nicht.
Lisa Mehner, ehrenamtliche Unterstützerin vom „Cotti.Für.Alle 2.0“, sagt dazu:
„Die Umgebung vom Cottbusser Platz ist eine Hochburg rechter Aktivitäten. Dass Jugendliche, die sich offen gegen rechts engagieren, von der Polizei anlasslos unter Beobachtung gestellt werden, ist ein Skandal.“
Im weiteren Gesprächsverlauf mit den Polizist:innen misgenderte [2] ein Beamter mehrfach eine teilnehmende Person. Hinweise, dass dies als Diskriminierung verstanden wird, ignorierte er. Derselbe Beamte entwendete ebenfalls zeitweilig eine Progress-Prideflag. Aufgrund der queerfeindlichen Stimmung beendete eine Organisation ihren Informationsstand früher als geplant.
„Wir sind zutiefst erschüttert. Das bewusste Misgendern ist ein inakzeptabler Angriff auf die Würde der betroffenen Person sowie auf die Queere Community insgesamt. Es ist beschämend, dass die umstehenden Polizist:innen ihren Kollegen nicht stoppten. So ein queerfeindlicher Vorfall auf einer Veranstaltung für Jugendliche ist alarmierend. Dieses Vorgehen der Polizeibeamten vor Jugendlichen normalisiert Transfeindlichkeit und zeigt ein fehlendes Bewusstsein für queere Lebensrealitäten in der Polizei.“ sagt Mika Hofmann von Queere-Jugend-Berlin.de hierzu.
Zu dem anlasslosen Einsatz der zivilen Polizeibeamten ergänzt Lisa Mehner:
„Die polizeiliche Beobachtung eines jugendpolitischen Festes, ohne Absprache mit den Organisierenden, ist problematisch. Die Maßnahme beruhte alleine auf Mutmaßungen und politischen Zuschreibungen. Das ist kein ausreichender Anlass. Das Verängstigen von Teilnehmenden sowie das Misgendern queerer Teilnehmer:innen ist ein No Go.“
Die Beteiligten wünschen sich eine umfassende Aufarbeitung der Geschehnisse.
Unterzeichner:innen:
- Ehrenamtliche Unterstützer:innen von Cotti-Für.Alle 2.0
- Mobiles Jugendzentrum Marzahn-Hellersdorf
- Referat für Anti-Rassismus und Anti-Faschismus des Allgemeinen Studierenden-Ausschusses der Alice-Salomon-Hochschule Berlin
- Queere Begegnung Marzahn-Hellersdorf
- Queere Jugend Berlin
- Vorsitz des Allgemeinen Studierenden-Ausschusses der Alice-Salomon-Hochschule Berlin
[1] vgl.: berliner-register.de/publikationen/2022-jahresbericht-der-registerstelle-marzahn-
hellersdorf-457/
[2] „Misgendern bedeutet, dass eine Person einem falschen Geschlecht zugeordnet und/oder über
sie mit dem falschen Pronomen geredet wird. Das kann manchmal unabsichtlich passieren. Es kann
aber auch absichtlich, z.B. als Abwertung oder Ablehnung, gemeint sein. Misgendering betrifft vor
allem trans und nichtbinäre Menschen und kann Dysphorie auslösen.“ aus queer-lexikon.net
„Misgendern kann nicht nur kurzfristig verletzen, es kann auch nachhaltig das Selbstbewusstsein
und die mentale Gesundheit von queeren Personen negativ beeinflussen.“ aus
gesundheitszentrale.