Columbiabad für Alle Queers against the Hetzkampagne
Anonyme Zusendung. Als Queere Jugend Berlin schließen wir uns dem vollumfänglich an.
Halbnackte Gewalt und vorüber gehend geschlossen, Randale und Angst“, – das sind die ersten Schlagworte, die im Netz zu Columbiabad Neukölln“ auftauchen. Statt auf die Konfliktlots*innen von Bleib Cool am Pool“ ¹ zu setzen, ist eins immer mit dabei: Die Forderung nach Polizei, mehr Polizei, noch mehr Polizei.
Die mediale Aufmerksamkeit für das Neuköllner Freibad ist so immens, dass sich sogar große Fische wie der Bundeskanzler Olaf und die Innenministerin Nancy berufen fühlen, öffentlich Stellung zu beziehen, um „hartes Durchgreifen und mehr Polizeipräsenz“ am Neuköllner Beckenrand zu fordern.
Prominent platziert wird in den Artikeln immer wieder, die neuen Maßnahmen seien insbesondere nötig um „Minderheiten“ und „queere Personen“ zu schützen. Smells fishy to us – wir Queers spüren ganz genau, wie sehr wir mit unseren queeren und antisexistischen Überlebenskämpfen ignoriert und allein gelassen werden, wie der gesellschaftliche und mediale Diskurs sich gegen uns zuspitzt, wie wir von der Polizei ausgelacht werden, wenn wir queerfeindliche Gewalt auf der Straße erleben, und genderneutrale Sprache in einigen Bundesländern wieder verboten ist. Es ist schon interessant, wie viel Eile die Politik darin sieht, Queers vermeintlich schützen zu wollen, wenn es darum geht, von Rassismus und
Klassismus betroffene Jugendliche zu schikanieren.
Wir lassen uns nicht in Endlich-oben-ohne-Badende vs. halbnackte Randalierende spalten! Ihre Struggle sind auch unsere Struggle! Grade Queers sind neben Queerfeindlichkeit häufig auch von Rassismus und Klassismus betroffen.
Nun wird von der Politik gefordert, Hausverbote zu verhängen und damit gehen dann auch Passkontrollen beim Betreten des Freibads einher. Mehr Kontrollen bedeuten nicht nur eine noch höhere Arbeitsbelastung für das sowieso schon überlastete Personal, sondern auch noch längere Schlangen, Wartezeiten.
Und: Polizei und Securities sind keine Sicherheit für uns! Passkontrollen sind aus vielen Gründen scheiße! Für viele queere Menschen ist das Vorzeigen vom Pass ein Zwangsouting, eine verdammt unangenehme und oft gefährliche Situation sich mit einer Pass-Identät zeigen zu müssen, die weder den eigenen Namen noch das Geschlecht korrekt repräsentiert. Auch haben viele Queers in Berlin gar keinen Pass, haben keine Möglichkeit sich online Tickets zu buchen. Die neuen Schutzmaßnahmen“ sind ein Auslese-Verfahren, um nur noch legalisierte, registrierte, finanziell ausgestattete Personen ins Freibad zu lassen. This ain’t helping us at all!!
Klar gibts Stress im Columbiabad. Großstadt-Space – völlig überfüllt mit verschiedensten Leuten, Adrenalin kickt, Pubertät oder auch Midlife-Crisis kickt, der Druck von gender- normativem Verhalten kickt. Alles was uns in dieser scheiß Gesellschaft an Scheiße prägt, kickt. Klar, es nervt, und manchmal ist es auch bedrohlich.
Hierbei handelt es sich nicht um ein spezifisches Problem des Bezirks Neukölln. 2017 gab es im Sommerbad Olympiastadion 23 Fälle von Körperverletzung und im Sommerbad Pankow 12. Das Columbiabad ist mit 14 Strafanzeigen also im Durchschnitt aller Berliner Freibäder.
Diese bundesweite mediale Inszenierung über das Gefahrengebiet Neukölln ist nerviger, bedrohlicher und zerstörerischer als alles, was im Columbiabad passiert!
Dass ausgerechnet der Mythos vom gefährlichen Neuköllner Columbiabad“ bis in die höchsten politischen Ebenen öffentlichkeitswirksam verbreitet wird, ist nix Neues.
Ständige polizeiliche Schikanen, Kriminalisierungen und Übergriffe sind in Neukölln Alltag. Betroffen hiervon sind meist migrantisierte Communities. Wir erinnern an die rassistische Debatte über die Silvesternacht 2022, wir kennen die Razzien auf der Sonnenalleee seit der CDU-Wahlkampagne gegen Neuköllner Familien.
Die Stresssituationen der Freibadmitarbeitenden und ihre Beschwerden über die Arbeitsbedingungen wollen wir in keiner Weise runterspielen. Es ist wichtig, die Überforderung und Kritik ernst zu nehmen. Hierfür auf noch mehr Autorität zu setzen und mit Trillerpfeifen, uniformierten Securities und Cops die Freibadbesucherinnen zu disziplinieren, eskaliert die Situation jedoch total. Sinnvoll dagegen wäre: Mehr Personal, mehr Lohn, mehr Pausen und Deeskalationstrainings, mehr Platz für Wasserrutschen!
Bei einer seit Jahren andauernden Sparpolitik, die sich mit den neuen massiven Haushaltskürzungen noch krasser verschärft, ist es irgendwie auch no surprise dass die Freibadmitarbeiterinnen am Limit sind. Personalkürzungen im Freibad sind das Eine, und Kürzungen in allen sozialen Bereichen Neuköllns sind das Andere.
Bei Einsparungen von insgesamt 22,8 Mio. Euro pro Jahr kündigt der Bezirk Neukölln die Reduktion von Obdachlosen- und Suchthilfe, Schließungen von Wasserspielplätzen, von mehreren Jugendfreizeiteinrichtungen und die Streichung von Finanzförderung für Jugendreisen an. Wer den Neuköllner innen und insbesondere den Jugendlichen alles kürzt und wegnimmt, fördert Unterforderung, Frust und eine soziale Zuspitzung in den wenigen übriggebliebenen Freizeitspaces. Es profitieren nur diejenigen, denen eh schon die ganze Stadt zu Füßen gelegt wird, diejenigen mit hochpreisigen Sport-Abos, Apps und Online Accounts, Kreditwürdigkeit und anerkanntem Pass.
Wenn Kinderplanschbecken geschlossen werden und Barrierefreiheit im Bad ein uneingelöstes Versprechen bleibt, wenn Eintrittspreise immer unerschwinglicher werden, wenn es keine Hitzepläne für schon jetzt durch Abgase und verdichtete Wohnverhältnisse belastete Bezirke gibt, wenn dort gespart wird, wo Stadtteile zur Lebensqualität aller beigetragen haben, ist Security- und Polizeipräsenz in Freibädern eine Einladung zur Eskalation.
Es ist fucking offensichtlich. It’s not about our safety! Wir Queers haben keinen Bock, uns für den rassistischen und klassistischen Diskurs instrumentalisieren zu lassen. Liebe Politikerinnen – steckt eure Eile lieber in Prozesse wie das Selbstbestimmungsgesetz – etwas was wirklich Schutz bedeutet und längst überfällig ist!
Deshalb:
- Schluss mit der rassistischen Hetzkampagne gegen Neukölln und Neuköllnerinnen
- Statt ausspielen von Badenden gegeneinander: Mehr Platz für Wasserrutschen, mehr Queer-Splash, mehr All-Gender-Umkleiden, mehr FLINTA-only-Tage, mehr Angebote zum Dampf ablassen Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Freibad-Mitarbeitende Regenbogen-Uniformen für Freibad Security und ausreichend Ressourcen für Deeskala- tions-Lotsinnen
- Stopp der Kürzungen im sozialen Bereich in Neukölnn und Überall.
- Ausbau der Angebote für Jugendliche und kostenlose klimagerechte Bewegungsange- bote für Alle
- Freibad umsonst und spontan, ohne Pass und Registrierungszwang
- keine Polizei in und vor Freibädern, verdammt
Not Gay as in Gentrification but queer as in FUCK YOU!
¹ (https://ga-berlin.de/cool-am-pool/)